LiteraturKreisarchiv 2022/23

Literatur baut Brücken – russische und ukrainische Literatur

Anfang März wurde von Seiten verschiedenster ukrainischer Kulturinstitutionen ein weltweiter Boykott der russischen Literatur gefordert. Vor dieser Pauschalisierung warnen inzwischen viele AutorInnen, Literaturinstitutionen und Kulturzentren, denn ein allgemeiner Kunst -und Kulturboykott würde gerade die falschen Akteure treffen.

Wir finden, dass diese Bücher die vielfältigen kulturellen Verflechtungen zwischen den westlichen und östlichen Gesellschaften Europas widerspiegeln und eine große Bereicherung in der Literaturlandschaft darstellen.

Russische und ukrainische Literatur wird ab Herbst in der Literaturkreis-Periode 2022/2023 unser Thema sein und in der Bibliothek-Traun stehen die Werke von AutorInnen unterschiedlicher Nationalitäten nach wie vor friedlich nebeneinander in den Buch-Regalen.

„Krieg ist nicht gemacht für Literatur“ -Serhij Zhadan /ukrainischer Autor/

4.10.2022: Alexander Puschkin – Eugen Onegin

Roman in Versen

Jewgeni Onegin ist mehr als nur die unglückliche Liebesgeschichte zwischen dem großstädtischen Dandy Jewgeni Onegin und der Schönheit vom Lande Tatjana Larina: Es ist die erste umfassende Schilderung der russischen Gesellschaft und war Vorbild für Pjotr Tschaikowskis berühmte Oper.

Alexander Sergejewitsch Puschkin wurde 1799 in Moskau als Sohn eines adligen Gardeoffiziers geboren und starb 1837 in Sankt Petersburg an den Folgen einer Schussverletzung nach einem Duell. Als Lyriker und Schriftsteller war er zeitlebens provokant, seine Werke unterlagen der Zensur. Er ist einer der bedeutendsten russischen Schriftsteller, zu seinen bekanntesten Werken zählen u. a. Eugen Onegin, Boris Godunow und Die Hauptmannstochter.

Insel Verlag

Quelle Text und Bild: http://www.buchhandel.de

Rückblick

Am 4. Oktober 2022 haben wir die neue Literaturkreis-Periode: „Literatur baut Brücken“ gestartet.

Thema des Abends war Alexander Puschkins bekanntestes Werk: Eugen Onegin, ein Roman, der in der russischen Literatur bis heute als Gründungswerk der realistischen Epoche gilt.

Dafür erfand der Autor eine eigene meisterhafte Versstruktur, verband aktuellen Themen wie Liebe, Verzweiflung, Eifersucht, gekränkter Stolz, Duell, Tod, etc. in Reflexion von Tradition und Erneuerung.

Schon für seine Zeitgenossen galt es als ein Werk in Weltniveau und inspirierte viele seine Nachfolger, wie zum Beispiel P.I. Tschaikowski für die gleichnamige Oper.

Es war für uns auch ein sehr schönes und bereicherndes Leseerlebnis!

Bewertung: ★★★★

Danke für die Teilnahme: Eva Lettner

06.12.2022: Biografie eines zufälligen Wunders & Baba Dunjas letzte Liebe

Tanja Maljartschuk – Biografie eines zufälligen Wunders

Die Welt, in der Lena heranwächst, ist geprägt von Willkür und Gewalt, doch das Mädchen setzt sich zur Wehr – mit Witz, Eigensinn und einer gehörigen Portion Mut. Und Lena versucht zu helfen: der Erzieherin im Kindergarten, den herrenlosen Hunden, die an chinesische Restaurants verkauft werden sollen, der Diskuswerferin Wassylyna und ihrer Freundin Hund. Auf ihrer Suche nach dem „zufälligen Wunder“ – einer fliegenden Frau, die immer dort auftauchen soll, wo Hilfe am nötigsten ist – gelingt es Lena, sich trotz aller Widrigkeiten zu behaupten.

Kiwi Verlag

Alina Bronsky – Baba Dunjas letzte Liebe

Baba Dunja ist eine Tschernobyl-Heimkehrerin. Wo der Rest der Welt nach dem Reaktorunglück die strahlenden Waldfrüchte fürchtet, baut sie sich mit Gleichgesinnten ein neues Leben auf. Mitten im Niemandsland, wo die Vögel so laut rufen wie nirgends sonst und manchmal ein Toter auf einen Plausch vorbeikommt. Während der sterbenskranke Petrov in der Hängematte Liebesgedichte liest und die Melkerin Marja mit dem fast hundertjährigen Sidorow anbandelt, schreibt Baba Dunja Briefe nach Deutschland, an ihre Tochter. Doch dann kommen Fremde ins Dorf – und die Gemeinschaft steht erneut vor der Auflösung.

Voller Kraft und Poesie, voller Herz und Witz lässt Alina Bronsky eine untergegangene Welt wiederauferstehen und erzählt die Geschichte einer außergewöhnlichen Frau, die im hohen Alter ihr selbstbestimmtes Paradies findet.

Kiwi Verlag

Quelle Text und Bild: http://www.buchhandel.de

Rückblick

Am 6. Dezember hatten wir unsere letzte Literaturkreis-Runde für das Jahr 2022.

Außergewöhnlich war es, dass wir gleich zwei Werke behandelt haben:

-„Biographie eines zufälligen Wunders“ von der ukrainischen Autorin Tanja Maljartschuk und

-„Baba Dunjas letzte Liebe“ von der russischen Autorin Alina Bronsky.

Beide haben einen tragikomischen Blick auf das jeweilige Land, beschrieben schonungslos die harte Lebensrealität, die innere und äußere Bedrohungen. Illusionen und Fantasie sind die Mittel zum Überleben in der Absurdität des wirklichen Lebens.

Danke für den netten Abend und schöne Feiertage!

Bewertungen:

Tanja Maljartschuk: ★★★★

Alina Bronsky:   ★★★★½

31.01.2023: Andrej Kurkow – Graue Bienen

Der Bienenzüchter Sergej lebt im Donbass, wo ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten Tag für Tag aufeinander schießen. Er überlebt nach dem Motto: Nichts hören, nichts sehen – sich raushalten. Ihn interessiert nur das Wohlergehen seiner Bienen. Denn während der Mensch für Zerstörung sorgt, herrscht bei ihnen eine weise Ordnung. Eines Frühlings bricht er auf: Er will die Bienen dorthin bringen, wo sie in Ruhe Nektar sammeln können.

Andrej Kurkow, geboren 1961 in St. Petersburg, lebt seit seiner Kindheit in Kiew und schreibt in russischer Sprache. Er studierte Fremdsprachen (er spricht insgesamt elf Sprachen), war Zeitungsredakteur und während des Militärdienstes Gefängniswärter. Danach wurde er Kameramann und schrieb zahlreiche Drehbücher. Sein Roman ›Picknick auf dem Eis‹ ist ein Welterfolg. Kurkow lebt als freier Schriftsteller in der Ukraine und arbeitet auch für Radio und Fernsehen.

Diogenes Verlag

Quelle Text und Bild: http://www.buchhandel.de

Rückblick

Am 31.1.2023 haben wir uns zum ersten Abend der diesjährigen Literatur-Kreis-Periode getroffen.

In Andrej Kurkows „Graue Bienen“ schrieb der Autor, schon vor etlichen Jahren – vor dem Ausbruch des jetzigen Krieges – über die Zustände in den betroffenen Gebieten im Donbass. Über den zermürbenden Alltag der Menschen zwischen den Fronten, über Not, Entbehrung, Willkür, Zerstörung und Hoffnung.

Dieses Buch ist ein „Road Novel“, das mit seiner lakonischen Sprache, mit seiner Stimmungen, Klugheit und Wärme nicht nur ein absolut tolles Leseerlebnis ist, sondern auch viel Diskussions-Stoff bietet.

Wenn dann auch betroffene Personen über ihre Erfahrungen berichten, sich in der Absurdität der Geschichte wiederfinden, ist das für alle eine große Bereicherung!

Bewertung: ★★★★★

Vielen Dank an Euch!

14.03.2023: Vladimir Vertlib – Zebra im Krieg

Liebevoller Vater und wütender Hassposter: Paul ist beides, und als er im Netz bloßgestellt wird, kämpft er um seine Würde, Familie – und sein Leben.

Mit der Geschichte von Paul Sarianidis gelingt Vladimir Vertlib in „Zebra im Krieg“ ein meisterhaft ironischer, jedoch stets von Zuneigung und Humanität erfüllter Blick in menschliche und politische Abgründe: Paul lebt mit seiner Familie in einer vom Bürgerkrieg heruntergewirtschafteten osteuropäischen Stadt am Meer. Als er arbeitslos wird, verstrickt er sich immer tiefer in die wüsten Debatten, die in den Sozialen Medien toben. Doch eines Tages wird Paul von Boris Lupowitsch, einem Rebellenführer, den er im Internet bedroht hat, verhaftet. Lupowitsch rechnet mit ihm vor laufender Kamera ab. Paul wird verhöhnt und gedemütigt, das Video millionenfach gesehen. Wie kann er mit dieser Schande weiterleben?

Vladimir Vertlib, geboren 1966 in Leningrad. 1971 emigrierte die Familie nach Israel, dann nach Italien, Holland und die USA, bevor sie sich 1981 in Österreich niederließ. Er studierte Volkswirtschaftslehre, er lebt seit 1993 als Schriftsteller in Salzburg und Wien. Sein Werk umfasst Romane, Erzählungen, Essays sowie zahlreiche Artikel. 2001 erhielt er den Adelbert von Chamisso-Förderpreis sowie den Anton Wildgans Preis.

Residenz Verlag

Quelle Text und Bild: http://www.buchhandel.de

Rückblick

Der 14.03.23 war wieder ein spannender Literatur-Kreis Abend.

Wir haben uns mit dem Buch „Zebra im Krieg“ von dem in Wien lebenden russisch-jüdischen Autor Vladimir Vertlib beschäftigt.

Ein Roman nach einer wahren Begebenheit mit erschreckender Aktualität, dessen Autor uns schon Jahre im Voraus mit erstaunlichem politischen Scharfblick in die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine blicken lässt.

Das Thema ist anstrengend, herausfordernd und fordert zum Nachdenken auf: Der Umgang mit sozialen Medien, Hass im Internet, Verantwortung und Haltung, Zerrissenheit und Ohnmacht und der Wunsch eines tragischen Helden, trotz allem: „etwas Richtiges tun“…

Bewertung: ★★★★

Danke für die Teilnahme!

Eva Lettner

25.04.2023: Serhij Zhadan – Internat

Ein junger Lehrer will seinen 13-jährigen Neffen aus dem Internat am anderen Ende der Stadt nach Hause holen. Die Schule, in der seine berufstätige Schwester ihren Sohn „geparkt“ hat, ist unter Beschuss geraten und bietet keine Sicherheit mehr. Durch den Ort zu kommen, in dem das zivile Leben zusammengebrochen ist, dauert einen ganzen Tag. Der Heimweg wird zur Prüfung.

Die beiden geraten in die unmittelbare Nähe der Kampfhandlungen, ohne mehr sehen zu können als den milchigen Nebel, in dem gelbe Feuer blitzen. Maschinengewehre rattern, Minen explodieren, öfter als am Tag zuvor. Paramilitärische Trupps, herrenlose Hunde tauchen in den Trümmern auf, apathische Menschen stolpern orientierungslos durch eine apokalyptische urbane Landschaft.

Serhij Zhadan, 1974 im Gebiet Luhansk/Ostukraine geboren, studierte Germanistik, promovierte über den ukrainischen Futurismus und gehört seit 1991 zu den prägenden Figuren der jungen Szene in Charkiw. Er debütierte als 17-Jähriger und publizierte zwölf Gedichtbände und sieben Prosawerke. Im Oktober 2022 wird Zhadan mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Zhadan lebt in Charkiw, Ukraine.

Suhrkamp Verlag

Quelle Text und Bild: http://www.buchhandel.de

Rückblick

Thema des Abends war der Roman „Internat“ von Serhij Zhdan, der sich mit dem Grauen des Krieges im Donbass 2014 beschäftigt, wobei die beschriebenen Ereignisse überall auf der Welt, wo gerade Krieg herrscht, stattfinden könnten.

Mit seiner schonungslosen, bildhaften Sprache schickt der Autor den Leser auf einen apokalyptischen Roadtrip und lässt einen glauben, aktiv im Geschehen zu stehen. Das Lesen dieses Buches ist zweifelsohne eine Herausforderung und es hat uns allen phasenweise viel Überwindung gekostet, bis zum Ende durchzuhalten.

Deshalb unsere Bewertung: ★★★★ ½

Danke für die Teilnahme!

Eva Lettner